Mueller-Stahls gemalter Appell an die Menschlichkeit
Grömitz/Cismar [ENA] Eine fantastische, mahnende Ausstellung zur richtigen Zeit. Im Kloster Cismar, einer Dependance des Ostholstein-Museums sind jetzt bis zum 18.August 2024 80 großformatige Werke des Malers Armin Mueller-Stahl zu sehen, die eine Botschaft und einen Appell haben. "Es genügt ein Mensch zu sein."
Dr. Julia Hümme, Museumsleiterin und Kuratorin der Werkschau, hat den Titel für die Ausstellung sehr bewusst gewählt. Nicht allein deshalb, weil es sich hierbei um ein Zitat aus Armin Mueller-Stahls Bild "Nathan der Weise" handelt, in dem er sich auf das bekannte Ideendrama von Lessing bezieht, nämlich auf den Moment, als die Hauptfigur Nathan sich an den Tempelherrn wendet. Der Titel eröffne für Jeden einen großen Spielraum eigener Interpretation. An vielen Wänden springt dem Besucher die handschriftliche Botschaft Mueller-Stahls ins Auge, mahnt zum Innehalten und auch zum dankbar sein. Die 200 Besucher, die eine Karte zur Eröffnung ergattern konnten, stimmen zu. Sie sehen das Positive im Menschen -die ungeheure Kraft der Menschlichkeit.
Leider nimmt die Zahl derer, die Unheil über unsere Welt bringen aktuell unvermindert zu. Kriegerische Konflikte, Terrorschläge, Brutalität auf den Straßen, Fremdenfeindlichkeit und Judenhass bestimmen das Dasein. Sogar der Dritte Weltkrieg wird thematisiert. Da passte es doch, als Marcel Reif, im Deutschen Bundestag am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus die mahnenden drei Worte seines Vaters Leon Ralf zitierte, die bis heute täglich sein Leben bestimmten- S e i e i n M e n s c h! Genau darum ist das Ausstellungsmotto für die Mueller-Stahl-Werkschau goldrichtig. Konsequent stellt der 93-jährige, der in seinem Leben beide Extreme - Krieg, Flucht bis zum Weltruhm, erfahren hat, die Unmenschen an einer Wand an den Pranger.
Regungslos passiert er die Formation der Despoten. Nur wenige Meter bis zum Überfall auf die Krim. Dann bricht es aus ihm raus. "Hier die ganzen Autokraten. Es ist sinnlos und furchtbar, was in der Welt geschieht. Dieses wahnsinnige Leid. Da steht ein Mann und bedroht die ganze Welt. Und die ganze Welt ist nicht in der Lage, diesen einen Mann zur Vernunft zu bringen. Mueller-Stahl schaut hin, nimmt Stellung und mahnt. Aber ein paar Schritte weiter hellt sich die Stimmung auf. Ich bin überrascht, dass ich der Künstler bin. Seine markanten Portraits von Menschen aus Politik und Wissenschaft, aus Kunst und Musik, Theater und Film, Philosophie und Literatur überzeugen. Mit schnellem Strich hält er das Charakteristische der Person fest.
Björn Engholm, enger Freund und Wegbegleiter Mueller-Stahls, beschreibt im Vorwort zu Mueller-Stahls Buch "Jüdische Freunde" ( 2020 Hatje-Cantz )wie sorgsam Mueller-Stahl bei der Auswahl der Personen für seine Menschenbilder vorgeht. In Frage kommen für ihn vorrangig Menschen, lebende wie verstorbene, die ihm nahe sind, denen er Achtung zollt und Respekt, deren Lebens-wie oft auch Leidenswege ihn berühren und an eigene Schicksalswege erinnern. Julia Hümme zitiert: "Personen, die Friedfertigkeit, Freiheit, Toleranz, Versöhnung statt Spaltung, Sozialität, Weltoffenheit und Zukunftsverantwortung verkörpern - all jene Attribute, ja, Tugenden, die auch dem Künstler selbst eigen sind."
Die Ausstellung ist fantastisch. Zu sehen sind 80 Werke aus zwei Jahrzehnten, ergänzt von vielen Fotografien mit seinen bedeutenden Filmrollen. Sie ist so liebevoll und klar strukturiert aufgebaut, dass Julia Hümme und ihre Kollegin Sophie Matuszczak mit viel Lob und Anerkennung überschüttet wurden. Der Künstler selbst ergriff auch das Wort. "Meine Frau hat gesagt, ich soll was sagen." Er zelebriert den Gaukler und sendet seine schauspielerischen Fähigkeiten in seiner Vielfalt und voller Hingabe kabellos direkt in die Herzen der Gäste. Wenn auch schon etwas müde, schreibt er in seinem schicken schwarzen Outfit samt Lagerfeld-Rolli einige Widmungen und Autogramme. Zur Ruhe kommt er an einer kleinen gedeckten Tafel im Hausmeisterbüro.
Das Publikum ist dankbar- für eine beispielhafte Präsentation des bildkünstlerischen Schaffens von Armin Mueller-Stahl. Dankbar, den Moment zu erhaschen, an dem der Weltstar mit seinen strahlend, wasserblauen Augen direkt vor einem steht, lächelt und ein bisschen erzählt. Ein Geschenk, das ein Leben lang unvergessen bleibt. Armin Mueller-Stahl spürt es, genießt und ist überwältigt. Alle im Kloster hat er wachgerüttelt, im dringend notwendigen Kampf die Menschlichkeit wieder in den Blickpunkt zu rücken. Die Hoffnung gibt er selbst nicht auf. Die Hoffnung müsse man sich auch manchmal selbst herstellen. Die Musik und die Malerei seien Ideengeber und Kraftspender. Ausstellung bis zum 18.8.2024. Di-So 11-17 Uhr. Feiertage 11-17 Uhr